MAX UND DER FEHLENDE KLETTVERSCHLUSS

Wann habe Sie als Kind gelernt, sich die Schnürsenkel zu binden? Genau! Früh, möglichst früh, dann war man nämlich schon groß, wenn man das konnte. Und wenns im Kindergarten mal nicht so recht geklappt hat, dann konnte man bei den Mädchen daneben (die damals noch Andrea hießen und nicht Laura oder Leandra) schon mal spicken und spätestens dann waren die Schuhe zu.

Haben Sie Kinder? Nein? Kennen Sie Kinder? Wann denken Sie, haben die gelernt, ihre Schuhe zu binden? Fragen wir Luis. Schuhe binden, wieso binden? Womit, fragt Luis, 4 Jahre, und schließt souverän und beiläufig die Klett-verschlüsse seiner poppigen Sneaker.

 

Eben, Schnürsenkel war gestern oder bei den Großen (Papa hat so komische Schuhe an, wenn er ins Büro geht), aber im Kindi sind die unterrepräsentiert. Eindeutig. Kein Wunder, dass das früher anders war, die clevere Idee mit dem Haken- und Flauschband wurde in ihren Ursprüngen erst 1951 zum Patent angemeldet.

 

 

Und was hat das jetzt in einem Blog über Hochsensibilität zu suchen?

 

Wenn man macht, was alle machen, gibt es ausreichend Modelle, von denen man täglich lernen kann. Als Kind, auch als Erwachsener. So ganz beiläufig, ohne groß darüber nachzudenken. Wenn man ist, wie alle anderen, fällt das auch ganz leicht. Schau links, guck rechts ...

 

Wenn man so ist, wie die wenigsten, passen viele Dinge nicht zu einem. Irgendwie schräg, irgendwie falsch. Die übliche Schere für einen Linkshänder, die deftige Brotzeit für einen Vegetarier. Linkshänder gab es auch früher schon, zumindest wenn man sie gelassen hat. Die Bestrebungen, die Abweichler in die "Normalität" zurück zu führen, waren sehr verbreitet und teilweise echt brachial. Doch auch, wenn man ihnen ihre Andersartigkeit zugestanden hat, mussten sie vieles mühsamer erlernen als andere, denn ihnen fehlten die Vormacher, die man nachmachen konnte. Also schrieben sie schon mal in die andere Richtung, bis jemand "korrigierend" eingegriffen hat.

 

Max ist hochsensibel, und damit in gewisser Weise der “Linkshänder” von heute, und hat damit (in gewisser Weise) Schuhe mit Schnürsenkeln: Während die Mehrheit der Kinder lustig an den Klettverschlüssen zerrt, knüpft und knotet Max seine Bändel. Und wenn's nicht klappt, sieht das doof aus und ist noch dazu unpraktisch. Das ist Max peinlich. Laura (die moderne Andrea) würde helfen, wenn sie es denn könnte. Kilian könnte es, hat aber Klettis, sodass Max gar nicht auf die Idee kommt, ihn um Hilfe zu bitten. Und das würde ihm ohnehin seeehr schwer fallen.

 

Zuhause weint Max seiner Mama was vor, weil er auch lieber Schuhe möchte wie alle anderen und keine so doofen Teile, die man mühsam ineinander knoten muss und noch dazu ständig aufgehen, wenn sie nicht sollen.

 

Der Mama tut der Max schon leid, aber deswegen neue Schuhe kaufen, das wäre doch bisschen übertrieben, oder Max? Und die selbstgestrickte Wollmütze von der Oma, die magst du auch nicht aufsetzen?

 

Komisch, der Max. Wie einfach ist das doch mit Luis.